Menü Schließen

Kirschblütenallee auf dem Mauerweg: Hanami im Lockdown

Auf dem ehemaligen Mauerstreifen zwischen Berlin-Lichterfelde und Teltow verläuft die Kirschblütenallee. Sie folgt über 1,5 Kilometer dem ehemaligen Verlauf der Berliner Mauer und besteht aus über tausend Kirschbäumen, die von Bürgern Japans anlässlich der Wiedervereinigung Deutschlands gespendet wurden. Jährlich zur Kirschblüte wird hier das traditionelle japanische Blütenfest Hanami gefeiert.
#hanamiteltow


April 2020 | Eigentlich wäre heute Hanami gewesen, das japanische Blütenfest zur Begrüßung des Frühlings. Aus dem letzten Jahr haben wir es in guter Erinnerung. Doch es ist Corona-Zeit, alle Feste wurden ersatzlos gestrichen. Überhaupt wurde der Alltag auf ein Minimum zusammengestutzt, um Kontakte zu vermeiden. Selbst die eigene Wohnung sollte nur für wichtige Erledigungen und höchstens für einen Spaziergang – und das auch nur in Begleitung eines Angehörigen des gleichen Haushalts – verlassen werden. Verrückte, angsterfüllte Zeiten. Das ganze öffentliche Leben ist zum Erliegen gekommen, man nennt es Lockdown. Noch ein Wort mehr, das vorher niemand kannte und dem man nun auf Schritt und Tritt begegnet. Das geht nun schon seit Wochen so und inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass das Virus in Schach gehalten werden kann.

Der Lockdown ist schuld, dass man sogar bei einem Nachmittagsspaziergang ein schlechtes Gewissen hat. Ausflüge werde nicht gern gesehen, sind im Grunde untersagt, doch frischen Luft zu schnappen ist mit Abstand erlaubt. Man hört bisweilen sogar von skurrilen Auswüchsen der Reglementierungswut: Leute werden von Parkbänken verwiesen, weil das Verweilen in der Öffentlichkeit untersagt ist. Kinderspielplätze werden mit Flatterband abgesperrt, weil selbst das einsame Schaukeln als Ordnungswidrigkeit gewertet wird. Da geht es einfach ums Prinzip, weil Regeln doch für alle gelten müssen – besonders alle anderen.

Ungeachtet dessen scheint die Sonne und lockt nach draußen. Außerdem ist Wochenende, da kann man sich schon mal ein Extra gönnen. Und das tun ziemlich viele. Folglich sind wir bei unserem Besuch auf der Kirschblütenallee nicht allein unterwegs; ganz im Gegenteil. Doch man geht sich aus dem Weg, so gut es geht. Es ist einfach herrlich, unter dem Blütendach zu spazieren und ein Stündchen lang so zu tun, als wäre die Welt in Ordnung.

(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert