Auf etwa halbem Weg zwischen Tübingen und Rottenburg am Neckar führen, von Wurmlingen und Hirschau aus, Wanderwege zur Wurmlinger Kapelle hinauf. Die Kapelle liegt etwa auf halbem Weg zwischen Tübingen und Rottenburg am Neckar. Von Wurmlingen führen Wanderwege auf den Kapellenberg.
Besuche: Mai 2021 | November 2009
23. Mai 2021 – Pfingstspaziergang
Die Wurmlinger Kapelle ist ein beliebtes Ausflugsziel. Vom Kapellenberg (475 m) hat man einen fantastischen Rundblick über das Neckartal bis zur Schwäbischen Alb und über das Ammertal zum Schönbuch.
Die Kapelle ist über die Jahre ein vertrautes Wahrzeichen für uns geworden. Wir begegnen ihr immer wieder, bei jedem unserer Besuche in Tübingen grüßen wir sie zumindest aus der Ferne. Das Kirchlein auf dem Berg ist weithin sichtbar. Bei schönem Wetter ziehen der weiße Giebel und das rote Dach alle Blicke magisch an – und machen Lust auf einen Spaziergang an den Hängen des Kapellenberges.
Unser Weg beginnt in Hirschau. Der Himmel ist frühlingsblau und die Wolken lassen ihre Schattenkleckse über die Felder wandern. Ein ideales Wetter zum Durchatmen und dem jungen Grün beim Sprießen zuzuschauen.
Ein Netz von Spazierwegen führt den Berg entlang und hinauf. Es geht an Streuobstwiesen vorbei, zu Schafweiden und Weinbergen, und Blüten schmücken das Gras. Das Spiel von Licht und Schatten auf den Hängen und bringt Bewegung in das Landschaftspanorama. Mit den treibenden Wolken rückt scheinbar auch Rottenburg näher heran, hinter den Baumkronen blinken die Dächer von Hirschau, die Reihen der Weinstöcke weisen die Richtung zum Neckar hinunter, auf den Gipfeln der Schwäbischen Alb wird das Licht gedimmt.
Während unseres Spaziergangs sind noch viel mehr schöne Fotos entstanden als hier zu sehen sind. Die Wurmlinger Kapelle und das Setting drumherum sind wirklich dankbare Motive. Wer bei seiner Runde am Berg außerdem noch etwas über die Tradition des Weinanbaus oder des Obstbaus in der Region erfahren möchte, sollte auf die Schautafeln des Lehrpfades achten. Wir waren an diesem Frühlingstag zu abgelenkt von den Reizen der Landschaft und haben die Informationen über Weinsorten und Bewirtschaftungsformen nur am Rande zur Kenntnis genommen.
Auf den Wiesen und an den Steilhängen der Hirschauer Berge gibt es einige seltene Wildpflanzen zu entdecken, darunter auch verschiedene Orchideen. Bei unserem Besuch im Mai blühte gerade die Bocksriemenzunge. Die hellgrün leuchtenden Blüten mit ihren pinkfarbenen Sprenkeln sind nicht zu übersehen. Hat man sie erst einmal ausgemacht, findet der Blick sie plötzlich in überraschend großer Zahl. Natürlich wussten wir zunächst nicht, wie die Blume heißt. Es brauchte schon etwas Recherche, um den Namen zu finden. Bocksriemenzungen – wenn man sich erst einmal mit diesem eigenwilligen Wort angefreundet hat, vergisst man es nicht wieder.
13. November 2009 – Erster Besuch bei der Wurmlinger Kapelle
Wer aus Richtung Westen nach Tübingen unterwegs ist, kann sie nicht übersehen: Die kleine Kapelle, mit strahlend weißen Mauern und rotem Ziegeldach, wird aus der Landschaft dem Himmel entgegen gehoben. Der Berg reckt seine Flanken empor und macht einen runden Buckel, als wollte er sagen: Schaut her, was für ein schmuckes Kirchlein ich trage.
Bestimmt ist es schön, von dort in die Ferne schauen – und wird aus einem flüchtigen Blick magische Anziehungskraft. Am Fuß des Kapellenberges liegen die Orte Hirschau und Wurmlingen. Wir versuchen zu erkunden, welcher Weg hinauf wohl der am wenigsten Beschwerliche wäre. Schließlich machen wir uns von Wurmlingen aus auf den Weg. Schnell zerstreuen sich alle Bedenken, denn der Spaziergang ist viel kürzer, angenehmer und leichter als zunächst vermutet.
Ein letzter Anstieg und wir sind an der Wurmlinger St.-Remigius-Kapelle. Seit dem Jahr 1050 steht sie hier, in luftigen 475 Metern Höhe, in der heutigen Form seit dem 17. Jahrhundert. Das alles verrät uns eine Inschrift. Durch ein Tor betritt man den kleinen Friedhof, gesäumt von dicken Mauern und Plattform für einen grandiosen Rundumblick: Weit über das Neckartal zur Schwäbischen Alb hinüber sind am Horizont sogar die Türme der Burg Hohenzollern zu erkennen. Rottenburg und Hirschau liegen ausgebreitet vor uns, Tübingen verbirgt seine Altstadt hinter dem nahen Spitzberg, auf der anderen Seite das Ammertal – in der Ferne glänzt Schloss Roseck in der Sonne.
Auf dem Hinweg, an der nördlichen Seite des Berges entlang, führte der Pfad an Feldern, Weiden und Obstgärten vorbei. Der Südhang bietet ein gänzlich anderes Bild, hier wird Wein angebaut, von den in strenge Reihen gegliederten Reben fällt buntes Herbstlaub auf den Boden.
Der berühmte Tübinger Dichter Ludwig Uhland hat 1805 nach einem Spaziergang zur Wurmlinger Kapelle ein Gedicht geschrieben, das die besondere Aura dieses Ortes einfängt: „Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Tal hinab …“, heißt es da. Den gesamten Wortlaut des Gedichts findet ihr auf einem Foto in der Bildergalerie.
Es entstehen ambivalente Gefühle, wenn man hier die imposante Landschaft genießt. Die Weite der Welt vor Augen, will man den Vögeln gleich die Flügel ausbreiten und sich frei in die Lüfte schwingen, während die Gräber hinter dem Rücken davon künden, wie klein und vergänglich so ein Leben ist. Hier oben gehen Erde und Himmel ineinander über.
(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen