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Der Wurmlinger Kapelle ganz nah

Auf etwa halbem Weg zwischen Tübingen und Rottenburg am Neckar überragt der Kapellenberg unübersehbar die Umgebung. Von Wurmlingen aus führen Wanderwege zur kleinen St.-Remigius-Kapelle.  
#wurmlingerkapelle


November 2009 | Wer aus Richtung Westen, von Herrenberg oder Rottenburg aus nach Tübingen unterwegs ist, kann sie nicht übersehen: Die kleine Kapelle, mit strahlend weißen Mauern und rotem Ziegeldach, wird von einem grünen Bergrücken aus der Landschaft dem Himmel entgegengehoben. Der Anhöhe reckt ihre Flanken empor, als wollte sie sagen: Schaut her, was für ein schmuckes Kirchlein ich trage.

Bestimmt ist es schön, von dort in die Ferne schauen, denken wir – und schon wird aus einem flüchtigen Blick magische Anziehungskraft. Am Fuß des Kapellenberges liegen die Orte Hirschau und Wurmlingen. Wir versuchen zu erkunden, welcher Weg hinauf wohl der am wenigsten Beschwerliche wäre. Schließlich machen wir uns von Wurmlingen aus auf den Weg. Schnell zerstreuen sich alle Bedenken, denn der Spaziergang ist viel kürzer, angenehmer und leichter als zunächst vermutet.

Ein letzter Anstieg und wir sind an der Wurmlinger St.-Remigius-Kapelle. Seit dem Jahr 1050 steht sie hier, in luftigen 475 Metern Höhe, in der heutigen Form seit dem 17. Jahrhundert. Das alles verrät uns eine Inschrift. Durch ein Tor betritt man den kleinen Friedhof, gesäumt von dicken Mauern und Plattform für einen grandiosen Rundumblick: Weit über das Neckartal zur Schwäbischen Alb hinüber sind am Horizont sogar die Türme der Burg Hohenzollern zu erkennen. Rottenburg und Hirschau liegen ausgebreitet vor uns, Tübingen verbirgt seine Altstadt hinter dem nahen Spitzberg, auf der anderen Seite das Ammertal – in der Ferne glänzt Schloss Roseck im Schönbuch in der Nachmittagssonne.

Auf dem Hinweg, an der nördlichen Seite des Berges entlang, führte der Pfad an Feldern, Weiden und Obstgärten vorbei. Der Südhang bietet ein gänzlich anderes Bild, hier wird Wein angebaut, von den in strenge Reihen gegliederten Reben fällt buntes Herbstlaub auf den Boden.

Der berühmte Tübinger Dichter Ludwig Uhland hat 1805 nach einem Spaziergang zur Wurmlinger Kapelle ein Gedicht geschrieben, das die besondere Aura dieses Ortes einfängt: „Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Tal hinab …“, heißt es da. Den gesamten Wortlaut des Gedichts findet ihr auf einem Foto in der Bildergalerie.

Es entstehen ambivalente Gefühle, wenn man hier die imposante Landschaft genießt. Die Weite der Welt vor Augen, will man den Vögeln gleich die Flügel ausbreiten und sich frei in die Lüfte schwingen, während die Gräber hinter dem Rücken davon künden, wie klein und vergänglich so ein Leben ist. Hier oben gehen Erde und Himmel ineinander über.

(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen

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