Schlösser und Parks prägen Potsdam – und die Hohenzollernresidenz prägte auch die Landschaft drumherum. Die Potsdamer Kulturlandschaft ist auch an Orten präsent, an denen man meint, mitten in der Natur, in Feld und Flur zu sein.
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Januar 2021 | Der Wildpark Potsdam befindet sich im Westen der Stadt, unweit des Parks Sanssouci. Er erstreckt sich, hinter dem Kaiserbahnhof beginnend, zwischen Bahnlinie, Forststraße und Bundesstraße 1 bis nach Geltow.
Es liegt Schnee in Potsdam, die Sonne scheint und es ist Sonntag. Was liegt näher als ein Spaziergang im Wald? Im Wildpark waren wir lange nicht. Wir beginnen unsere Runde am Forsthaus-Sanssouci-Tor gegenüber dem Kaiserbahnhof, wo die Hirschskulpturen den Eingang bewachen, und schlendern auf das große Wegekreuz zu. Wir sind hier bei weitem nicht allen, hinter dem Forsthaus ist trotz Corona-Lockdown einiges los, aber im Wegegeflecht des Wildparks zerstreuen sich die Besucher schnell. Die Familien haben Schlitten für die Kinder dabei, einige Leute sind mit Langlaufskiern unterwegs, doch wir Spaziergänger sind in der Mehrheit. Alle erfreuen sich an der Winterwelt, die heute besonders glänzt, weil der frisch gefallene Schnee sehr feucht ist und kleidsam an den Zweigen klebt. Sonne und Brise machen sich den Spaß, hin und wieder einen Schneeball aus dem Geäst auf den Weg zu werfen. Manchmal gibt es dort sogar eine Schulter zu treffen.
Vor uns liegt das Wegekreuz, der zentrale Punkt des Wildparks, an dem alle wichtigen Wege sternförmig zusammenlaufen. Dort steht, weithin sichtbar, ein großer Futterschirm. Er wurde einst von der Pfaueninsel hierhergeholt, um mit ihm den zentralen Knotenpunkt des Wegenetzes zu markieren. Hofgärtner Peter Joseph Lenné war ab 1840 mit dabei, als aus dem Wald ein Wildgehege wurde, das auch Elemente eines Parks aufweisen sollte. Es galt, einen königlichen Wald, ein Jagdrevier, den Wildpark zu gestalten. Der Futterschirm erweist sich bis heute als gute Idee. Auf den zentralen Wegen ist er schon aus der Ferne zu sehen und dient als nützliche Orientierungshilfe.
Interessant zu wissen ist auch, dass der Wildpark einst hunderte Hektar groß und komplett von einem 12 Kilometer langen Zaun umgeben war. Innerhalb des Geheges wurde Rot- und Damwild gehalten. Für die Hege, Pflege und Fütterung des Wildbestandes und für die Jagden des königlichen Hofes wurden im Wildpark einige Gebäude, wie die Wildmeisterei und die Forsthäuser, errichtet. So wurde immer für einen reichlichen Wildbestand gesorgt, was dem weidmännischen Stolz der herrschaftlichen Schützen auf ihre Jagderfolge keinen Abbruch tat. Einige Gedenksteine an den Wegen zeugen davon. Eine Inschrift lautet zum Beispiel: „Se. M. Der Kaiser Wilhelm I. erlegte hier einen weißen Edelhirsch von 12 Enden am 11. August 1884“. Der letzte Edelhirsch im Wildpark wurde nur ein Jahr später geschossen, danach neigte sich die große Zeit als Jagdgehehe dem Ende.
Eine weitere einschneidende Veränderung brachten die ausgehenden 50er Jahr des letzten Jahrhunderts. Mit der Errichtung des Eisenbahnringes um Berlin wurde eine Bahnlinie mitten durch den Wildpark gelegt. Damit war der Wildpark keine bis nach Geltow reichende zusammenhängende Waldfläche mehr.
Das alles muss man für einen Spaziergang durch den Wildpark nicht wissen. Es genügt, die Natur, die Waldluft und die Schönheit einer gestalteten Kulturlandschaft zu genießen. Und doch macht es Spaß, die eine oder andere Spur der Geschichte deuten zu können. Am Ende unserer Runde durch den Schnee stehen wir wieder vor den beiden Edelhirschen auf den Sockeln des Sanssouci-Tores. Sie sind Kunstwerke mit Geschichte: Der berühmte Bildhauer Christian Daniel Rauch hat sie geschaffen. Nach 1945 wurden sie von der Roten Armee abgebaut und in ihr militärisches Hauptquartier nach Wünsdorf gebracht. Erst 2006 kehrten die Hirsche wieder an ihren angestammten Platz zurück. Im Wildpark selbst sucht man lebendige Vertreter ihrer Art heute vergebens.
(c) Lutz Schafstädt – 2023
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