Altenburg liegt im östlichsten Zipfel von Thüringen, war zur Barbarossazeit Kaiserpfalz und über Jahrhunderte fürstliche Residenz. Hier hat das Kartenmachen Tradition und wurde das Skatspiel erfunden.
April 2023 | Für unser Wochenende in Altenburg haben wir uns in der Nähe des Bahnhofs ein Hotelzimmer gebucht. Von hier aus machen wir am Nachmittag den ersten Erkundungsspaziergang in die Altstadt. Zunächst folgen wir der Wettinerstraße, die von herrschaftlichen Villen gesäumt ist und früher offensichtlich eine Prachtpromenade war. Heute ist sie vor allem Verkehrsader. Sie führt auf das Lindenau-Museum zu, eine schlossartige Villa, die gerade eingerüstet ist. Wie die Baustelle aussieht, wird es bis zur Wiedereröffnung noch eine Weile dauern. Hinter dem Museum beginnt der Schlosspark, ein sanft ansteigender Hügel, an deren Flanke durch die Baumwipfel das strahlende Gelb des Naturkundemuseums Mauritianum zu erkennen ist. Natürlich sind wir keine Auskenner und lassen uns von Google erzählen, was wir da sehen und welcher Schwenk in unserem Weg nun ratsam ist.
Wir orientieren uns nach rechts und schlendern auf die Altstadt zu. Schon rückt der Burgfelsen mit dem Schloss in den Blick. Er überragt die ihn umgebende Stadt deutlich, seine Schatten reichen bis an den Pauritzer Teich. So heißt der kleine See am Fuß des Berges, der von Wegen, Rasenflächen und Bäumen umgeben ist und einen romantisch wirkenden Park bildet, trotz der stark befahrenen Straße gleich nebenan. Hier soll der Ursprung der Stadt gelegen haben, eine Fluchtburg auf dem Felsen oben, ein slawisches Dorf unten am kleinen See – unter der alten Burg – und fertig ist der Ortsname. Diese Geschichte bekommen wir aber erst morgen bei der Schlossführung erzählt. Doch ich will sie erwähnen, wenn wir schon einmal hier sind.
Mit jedem Schritt weiter macht das Schloss die Teichidylle streitig und dominiert die Stadtansicht. Es ist überraschend groß und lässt erkennen, wie es über die Jahrhunderte und Baustilepochen hinweg von der Burg zur fürstlichen Residenz gewachsen ist. Die gotische Schlosskirche schwebt auf einem Felsensockel über der Auffahrt zur Burg, die schmalen Fenster machen schlank und der Bau scheint sich himmelan zu strecken. Gegenüber, an der Nahtstelle zur Stadt, steht das Theater, seine Treppe erstreckt sich über die gesamte Gebäudebreite, der Anspruch auf Macht und Geltung ist an der Fassade zu Stuck geworden. Repräsentative Bauten gibt es immer wieder in der Stadt, sie zeugen vom Wettstreit und der Rivalität der zahlreichen sächsischen und thüringischen Fürstentümer und Herrschaftssitze. Eine Residenz eben.
Vom Theaterplatz geht es eine geschwungene Straßenbiegung entlang weiter zum Brühl. So heißt der älteste Marktplatz von Altenburg, umstanden von ehrwürdigen Häusern, die allesamt schon Jahrhunderte in den Fundamenten haben. Ein Hingucker ist das barocke Seckendorffsche Palais aus dem frühen 18. Jahrhundert. Nach dem Generalfeldmarschall von Seckendorff, der das Haus errichten ließ, wohnte später Herr F. A. Brockhaus einige Jahre hier. Fast hätte ich gesagt, er habe das Lexikon erfunden – was natürlich Unsinn ist. Er war der Verleger des nach ihm benannten Lexikons.
Das Highlight des Platzes ist jedoch sein Brunnen in der Mitte. Er wird von zwei großen Baumkronen beschattet und von Blumenrabatten gesäumt. Das Wasser fließt aus der Schnauze eines bronzenen Schweinekopfes, dessen Nase von vielen Streicheleinheiten blank poliert ist, in ein grob behauenes Steinbecken, oben auf dem Sockel scheinen Figuren in ein Handgemenge verwickelt. Wir stehen vor dem Skatbrunnen. Denn Altenburg ist Skatstadt. Hier wurde ab 1810 das Skatspiel erfunden und sein Regelwerk entwickelt. Kartenmacher gibt es in Altenburg seit 1509, die bekannte Spielkartenfabrik nahm 1932 ihre Produktion auf, 1927 gründete sich hier das Deutsche Skatgericht, das Internationale Skatgericht hat seit 2002 seinen Sitz in der Stadt. Die Skatstadt Altenburg macht ihrem Namen also alle Ehre, es gibt ein Skatmuseum im Schloss und hier, am Brühl, steht mit dem Skatbrunnen das weltweit einzige dem Kartenspiel gewidmete Denkmal überhaupt. Auf seiner Spitze raufen die vier Wenzel (Buben) um die Rangfolge und es heißt, wer seine Skatkarten mit dem Wasser aus dem Brunnen tauft, hat fortan nur noch Glück im Spiel. Das sind ziemlich viele Informationen und wenn ihr mal Material für einen Sack voller Quizfragen braucht, könnt ihr euch hier bedienen.
Vom ältesten Markt geht es, nur wenige Schritte weiter, zur ältesten Kirche der Stadt, St. Bartholomäi. Sie steht in unmittelbarer Nachbarschaft und sieht, ehrlich gesagt, so alt gar nicht aus. Eine Info-Tafel verrät den Grund: Anfänglich stand hier eine schlichte romanische Basilika mit breitem Turm und Apsis, doch durch den Umbau-Aktionismus vieler Jahrhunderte sieht man ihr nicht an, dass ihr Grundstein noch vor der Zeit Barbarossas gelegt wurde. Heute hat sie einen barocken Turm, ein im 19. Jahrhundert historistisch überbautes Äußeres und ist seit der Reformation evangelisch. Brühl und Kirchplatz bilden ein heimelig wirkendes Stadtquartier mit angenehmen Dimensionen. Ein Angebot zum Verweilen hätten wir gern angenommen, doch davon sehen wir hier nichts. Deshalb spazieren wir weiter, zum Markt.
Siehe auch: #skatstadtaltenburg / #mitteldeutschland
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(c) Lutz Schafstädt – 2023