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Schlepzig: Pfingstbesuch im Spreewald

Das niedersorbische Dorf Schlepzig ist ein beliebtes Ausflugsziel im Unterspreewald, keine 70 Kilometer südlich von Berlin, etwa auf halber Strecke zwischen Märkisch Buchholz und Lübben.
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Mai 2023 | Für das Pfingstwochenende war sommerliches Wetter vorausgesagt, deshalb lag die Frage auf der Hand: Was machen wir am Sonntag? Einen Tagesausflug. Wie wäre es mit Schlepzig? Dort waren wir schon eine Weile nicht mehr. Also los.

Schlepzig gehört zum nördlichsten Teil der sumpfigen Flusslandschaft, wo sich die Spree in ungezählte Nebenarme zerteilt. Von uns in Potsdam aus gesehen das am schnellsten zu erreichende Stück Spreewald, beliebt als Ausflugsziel, doch bei weitem nicht so stark frequentiert wie die die Hotspots Lübbenau oder Burg. So jedenfalls haben wir das kleine Dorf von unseren früheren Besuchen in Erinnerung. Beschaulich und entspannt, mit schläfrig dreinblickenden Kühen und Bisamratten beim Rückenschwimmen. Was wir nicht bedacht hatten: Es war Feiertag und die lachende Sonne weckte nicht nur bei uns die Lust auf einen Trip in die Natur.

Bei unserer Ankunft in Schlepzig wurden wir unmittelbar aus unserer Illusion gerissen. Alle Straßen waren mit Autos zugestellt, kein Parkplatz weit und breit. Wir sahen unsere Hoffnungen schwinden, denn es war gerade erst später Vormittag und damit sehr unwahrscheinlich, dass die Autos mit Kennzeichen aus aller Herren Länder ihren gerade erst ergatterten Stellplatz so bald wieder verlassen würden. Doch das Glück war mit uns. Ein Pärchen schlenderte nicht vom Parkplatz weg, sondern ihm entgegen. Wir rollten langsam hinterdrein, erfragten unsere Chance und brachten uns sprungbereit in Stellung.

Bis zum Ortszentrum war es nun nur noch ein kurzer Spaziergang. Zwar waren viele Leute unterwegs, doch alle waren freundlich und entspannt, es gab genug Platz für alle. Selbst in den Restaurants und an den Imbissständen musste niemand lange warten oder sich um einen Sitzplatz sorgen. Insgesamt stellten wir fest, dass sich Schlepzig über die Jahre stark professionalisiert hat, was den Tourismus betrifft. Die Einheimischen sind geschäftstüchtig und haben ihre Angebote pfiffig über das das ganze Dorf verteilt. Überall gibt es Möglichkeiten, sich eine Kahnfahrt zu buchen, ein Kanu auszuleihen, einzukehren oder einfach an einem lauschigen Fleckchen zu verweilen. So verteilt sich das Besucheraufkommen schnell in die Fläche.

Im Hof der Brennerei war der Grill angeheizt und die Bar geöffnet, am Weidendom gab es das ultimative Spreewald-Menü aus Quark, Leinöl und neuen Kartoffeln in zünftigen Töpfchen als Fast-Food-Variante, gleich nebenan konnte, wer wollte, sich an einem Restauranttisch mit Seeblick ein Spargelgericht servieren lassen, am großen Kahnhafen schließlich waren Schmalzbrote mit knackfrischer Kruste und Spreewaldgurke im Angebot.

Wir machten auf unserer Spazierrunde immer mal wieder irgendwo Station. Eine Kahnfahrt wollten wir diesmal nicht machen, wir blieben auf den Wanderpfaden entlang der Wasserwege, schauten dem Treiben der Kähne zu und erfreuten uns der Natur an den Ufern, auf den Wiesen und in den Hausgärten. Schlendern und Durchatmen waren angesagt.  

Zwischen der Hauptspree und den Fließen (so heißen hier die vielen Nebenarme der Spree) wird mancherorts der Wasserstand mit Schleusen geregelt. Sie sind nicht sehr groß, mit einem Ausflugskahn ist die Schleusenkammer bereits gut gefüllt. Diese haben bei der Abfertigung offenbar Vorrang und die vielen Freizeitkanuten müssen sich in Geduld üben. Als wir vorbeikamen, hatte sich gerade ein beträchtlicher Stau gebildet. Der Schleusenbediener tat sein Bestes, die Tore wurden jedoch mit Kurbel und Muskelkraft betrieben, und so nahm der Vorgang des wechselseitigen Öffnens und Schließens jedes Mal eine Weile in Anspruch. Der Schleuser war außer fleißig auch clever. Er hatte zwei Knaben aus seiner Verwandtschaft dabei, die bei jeder Schleusung lauthals verkündeten, dass dieser Service ehrenamtlich sei und mit einem zwanglosen Obolus anerkannt werden könne. Erwartungsvolle Blicke von oben, Freiwilligkeit am Boden der Schleusenkammer. So lieben Dienstleister ihre Kunden, dachte ich schmunzelnd. Und schon beendeten die Jungs ihre kindlich verschämte Reglosigkeit und balancierten flink über die Begrenzungsmauern zu den bereitgestellten Spendentöpfen, um sie vor dem nächsten Durchgang zu leeren. Ein lukratives Geschäftsmodell, alle Achtung. Andererseits: Über Stunden ohne Pause die bestimmt nicht leichtgängige Kurbel zu bedienen, hat wahrlich eine Anerkennung verdient. Trotzdem bin ich mir sicher, dass der Schleuser keine Motorwinde auf seinem Wunschzettel hat.

Überall auf den Fließen waren Paddelboote unterwegs. Es war idyllisch anzuschauen, wie sie auf dem Wasser dahinglitten. Ein schöner Freizeitsport und unweigerlich bekommt man Lust, es selbst einmal zu versuchen. Ob wir das auch könnten? Während wir noch diesem Gedanken nachhingen und uns bei einem kleinen Hofcafé zu den Leuten am Spreeufer gesellten, präsentierte sich uns ein mögliches Szenario: Ein Zweier-Kanu kam herangetaumelt. Immer wieder hing es mit der Spitze in den Uferpflanzen oder stupste andere Boote an. Die Aufmerksamkeit der Leute an ihren Tischen und auf dem Rasen entlang der Böschung war ihm augenblicklich gewiss. Schon rumpelte es gegen die kleine Anlegestelle. Der Kanute vorn im Boot rief den Zuschauern zu: „Sorry, ich mache das heute zum ersten Mal.“ – „Ach was, das merkt man gar nicht“, kam es aufmunternd vom Ufer zurück. Das Lachen steckte an, das Paddeln wurde hektischer, das kleine Plastikboot kratzte geräuschvoll an einem Holzpfosten entlang und schlingerte der nächsten Biegung entgegen. So ein Bild würden wir vermutlich auch abgeben. Vielleicht trauen wir uns trotzdem irgendwann auch einmal.    

Die Stunden im Spreewald vergingen wie im Flug. Wir haben den Tag in Schlepzig sehr genossen und es wird garantiert nicht unser letzter Besuch gewesen sein.  

(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen

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