Bad Freienwalde liegt im Landkreis Märkisch-Oderland, im Norden der Märkischen Schweiz, nur 50 Kilometer östlich von Berlin. Die Stadt hat eine lange Tradition als Heilbad. Durch die Lage am Übergang vom Oderbruch zum Barnim-Plateau fühlt man sich ins Mittelgebirge versetzt.
#theodorfontane
März 2021 | Wer nach Bad Freienwalde kommt, macht einen Besuch in den Bergen. Meist wird das, was in märkischen Landen Berg genannt wird, anderswo als Hügel belächelt. Doch in diesem Fall ist es anders. Bad Freienwalde liegt an der Kante von Barnim und Oderbruch. Der Barnim ist ein Plateau, das während der Eiszeit in mehreren Etappen aufgeschüttet wurde. Mit dem Schmelzen der Gletscher setzte die Erosion ein, nördlich bildete sich das Eberswalder Urstromtal, auf Berliner Seite spülte die Spree kräftig mit, im Osten schuf sich die Oder ein komfortables Bett. Was blieb, war die Hochfläche dazwischen – der Barnim, umfasst von Flussniederungen und Seenlandschaften. Bad Freienwalde liegt genau am Übergang, wo es vom Barnim-Plateau 160 Meter hinab ins Oderland geht. Hier gibt es schattige Täler, bewaldete Berghänge und muntere Bächlein, die tatsächlich das Gefühl verbreiten, im Mittelgebirge zu sein. Was lag näher, als diese Region die Märkische Schweiz zu nennen.
Unser Rundgang durch die Stadt beginnt am Marktplatz. Die Kaisereiche ist von Verkaufswagen umstellt; vor dem Rathaus ein Brunnen, der in seiner Mitte eine badende Schönheit auf einer Säule trägt; daneben die Stadtkirche, erbaut in Backsteingotik mit spitzem Turm. Alles in allem ein typisch märkisches Ortszentrum, das einen guten ersten Eindruck macht.
Ein Hinweisschild gibt uns einen Wink: Hier entlang zum Ruinenberg. Wir folgen, denn ein wenig Überblick kann nicht schaden. Eine schmale Treppe, eher eine Gasse mit Stufen, führt steil den Hang hinauf. Nun wissen auch unsere Waden, dass hier Berge sind. Die Ruine ist ein Podest aus Feldsteinen, eine gemauerte Treppe führt zur Aussichtsplattform hinauf. Von hier gibt es einen freien Blick ins Land, über die Dächer der Stadt hinweg und weit ins Oderbruch. Ein Platz zum Durchatmen. Bad Freienwalde liegt uns zu Füßen, das Zentrum ist überschaubar und macht Lust auf den weiteren Spaziergang.
Vom Marktplatz geht es in die Königstraße, offenkundig die Hauptgeschäftsstraße. Läden, Bebauung und Ambiente sind wie in vielen anderen Kleinstädten: gepflegt, jedoch unspektakulär. Wegen der Corona-Einschränkungen fehlt es außerdem an Leben, was jede Einkaufsstraße zwangsläufig trostlos macht.
Blickfang der Straße ist die Konzerthalle St. Georg. Ein adretter Fachwerkbau mit schwarzen Balken und weiß verputzten Mauern, mit rotem Ziegeldach und einem schiefergedeckten Uhrentürmchen. Die Form verrät sofort, dass die Halle einst als Kirche gebaut wurde. Das war vor über 300 Jahren und geschah auf den Fundamenten einer Kapelle aus dem 14. Jahrhundert.
Ein paar Schritte weiter geht es schon auf das Schloss zu. Das Schloss entspricht im Grunde einer repräsentativen Villa ohne besonderen architektonischen Reiz. Es wurde 1799 gebaut und nur wenige Jahre wirklich bewohnt. Das Gebäude glänzt nicht aus sich selbst, sondern durch die Landschaft drum herum. Der umgebende Park liegt an einem Hang und wurde, wie nachzulesen ist, von Lenné gestaltet. Vermutlich wird er sich im Frühling in eine Schönheit verwandelt. Bei unserem Besuch liegt er noch in schmuckloser Winterstarre und die nahe Bundesstraße, hinter einer Baumreihe, drängelt sich optisch und akustisch in den Vordergrund. Historisch interessant ist das Schloss als Gedenkort, weil es seit Anfang des 20. Jahrhunderts dem Politiker Walter Rathenau gehörte, der 1922 Außenminister Deutschlands war und wenige Monate später durch ein Attentat ermordet wurde.
Unter der monströsen Hochstraße hindurch geht es auf den Kurpark zu. Bad Freienwalde ist nicht nur schon seit Jahrhunderten Kurort, sondern war immer auch bei der besseren Gesellschaft, vor allem aus Berlin, beliebt. Davon zeugen die einst vornehmen und heute sorgsam restaurierten Villen und Pensionen entlang der Gesundbrunnenstraße. Sie erinnern in ihrer Form an die Architektur der Kaiserbäder an der Ostsee.
Wir kommen zum Fontane-Denkmal. Fontane hat nicht nur viel über Bad Freienwalde geschrieben, er hatte auch eine enge Verbindung zur Stadt und zur Region. Im nahen Schiffmühle verbrachte sein Vater seine letzten Lebensjahre und er besuchte ihn oft. Hier, am Beginn des Gesundbrunnentals, hat der Dichter Fontane ein Denkmal bekommen. Ich versuche, es auf einem Foto vorteilhaft in Szene zu setzen, doch der Bildhintergrund will mir einfach nicht gefallen. Auf der einen Seite eine spröde Straßenkreuzung, in die andere Richtung ein verkramter Hinterhof. Schade, dass auch hier die Büsche und Bäume noch keine Blätter tragen.
Das Tal wird schmaler, der Berg höher. Schließlich weitet sich, inmitten bewaldeter Hänge, das Rund eines Talkessels. Am Eingang zum Kurpark steht die Papenmühle und spiegelt ihre herrschaftliche Fassade in einem idyllischen See. Um die in schöner Harmonie arrangierten Bäume, Wasserläufe und Wege hat sich auch hier General-Gartendirektor Lenné gekümmert.
Der Kurort Bad Freienwalde steht in dem Ruf, das älteste Heil- und Moorbad der Mark Brandenburg zu sein. Die „Kurfürstenquelle“, die hier entspringt, wurde 1683 entdeckt und schon bald schrieb man ihr heilende Wirkung zu. Der Anstoß der Entwicklung zur Kurstadt war gegeben. Heute steht hier eine Fachklinik, in der orthopädische und rheumatische Erkrankungen therapiert werden.
Durch eine schmale Schlucht geht es noch ein Stück tiefer in den Wald. Zum Stadion. Hier gibt es etwas für diese Gegend völlig Überraschendes: eine Sprungschanze von stattlicher Größe. Wir sind im nördlichsten Skisprungzentrum Deutschlands, das es hier bereits seit 1930 gibt. Der Olympiasieger von 1936, lässt sich in Erfahrung bringen, hieß Birger Ruud, war Norweger und trainierte hier für seinen olympischen Triumph. Erstaunlich. Wer hätte so etwas im Oderland erwartet?
Für unseren Weg zurück in die Stadt wechseln wir auf die andere Talseite und spazieren am Waldrand entlang. Jetzt bekommen wir Lust, irgendwo einzukehren. Schön sitzen, lecker essen, das wäre es. Doch es sind Corona-Zeiten. Alle Restaurants zu, die Möglichkeiten begrenzt. Wir holen uns Döner und wickeln sie 50 Meter weiter wieder aus der Folie, auf einer Bank, in einer kleinen Grünanlage, direkt neben der vielspurigen Abfahrt von der Bundesstraße. Während wir kauen und die Wasserflasche zischen lassen, fällt unser Blick auf einen Aussichtsturm, der in einiger Entfernung die Baumwipfel überragt. Ich schlage nach – es ist der Turm auf dem Galgenberg. Er sieht einladend aus, doch bestimmt ist er ohnehin geschlossen. Im Stadtgebiet gibt es insgesamt vier Aussichtstürme. Sie alle zu entdecken, ist eine Herausforderung für sich. Wir haben heute bereits über 15.000 Schritte auf dem Zähler und keinen Bedarf für weitere Bergwertungen.
Als wir wieder im Auto sitzen, fragen wir uns, wie weit es eigentlich bis zur Oder ist. Früher kam der Fluss bis an die Stadtgrenze und das Oderland war ein sumpfiges Feuchtgebiet mit regelmäßigen Überschwemmungen. Der Alte Fritz (Friedrich der Große von Preußen) veranlasste, das Oderbruch trocken zu legen. Der Flusslauf wurde begradigt, eingedeicht und fruchtbares Ackerland gewonnen. Über die Alte Oder ist Bad Freienwalde weiterhin mit dem Fluss verbunden, doch der Strom fließt jetzt rund sechs Kilometer entfernt, hinter dem Deich von Hohensaaten. Natürlich schauen wir für einen kurzen Abstecher dort vorbei, bevor es wieder heimwärts geht.
(c) Lutz Schafstädt – 2023
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