Das berühmte Schloss Lichtenstein steht am Albtrauf, hoch über dem Echaztal und nur wenige Kilometer von Reutlingen entfernt. Es wurde im Stil des romantischen Historismus Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut.
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März 2022 | Im Biedermeier schwelgte man in Romantik und träumte von der guten alten Zeit. Das Mittelalter und die Ritterzeit wurden glorifiziert. Kultur und Kunst bedienten diese Sehnsucht nach Idylle und heiler Welt. Der Dichter Wilhelm Hauff ließ sich für seinen Roman „Lichtenstein“ von den Legenden inspirieren, die sich um eine Burg gleichen Namens gesponnen hatten. Von dieser jedoch hatten nur Mauerreste die Zeiten überdauert. Ein Vetter des Königs von Württemberg kaufte das in der Nähe der Ruinen befindliche Forsthaus samt umgebenem Gelände und machte sich daran, seinen Traum von einer eigenen Ritterburg zu verwirklichen. Eine neue Burg Lichtenstein sollte entstehen – mittelalterlich, romantisch und auch ein wenig patriotisch. 1842 war das Werk vollbracht und Graf Wilhelm brachte seine gesammelten Rüstungen, Kanonen und Kunstwerke zum Schloss. Damit ist in aller Kürze die Vorgeschichte erzählt, nur eine wichtige Sache ist noch unerwähnt: Das Schloss mit seinem Turm auf einem Felsen direkt am Abgrund ist wirklich märchenhaft schön und zählt zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten auf der Schwäbischen Alb und in ganz Baden-Württemberg.
Wir waren bereits vor mehr als zehn Jahren beim Schloss Lichtenstein. Damals war Herbst, diesmal naht der Frühling, doch das Wetter ist ähnlich feucht und kühl. Damals hatten wir uns die Innenräume des Schlosses angeschaut, diesmal verzichten wir auf eine Führung, denn die Corona-Auflagen verlangen nach Impfzertifikat, aktuellem Schnelltest und Maske. Alles Mühsal, die doch nicht verhindern kann, dass eine Menschentraube sich durch die Flure drängt und die Forderung Abstand zu halten sich als leere Floskel erweist. Der Verzicht fällt uns leicht, wir erinnern uns noch gut an das blaue Sternengewölbe der Schlosskapelle, die deftigen Wandsprüche in der Trinkhalle und das Bild des treffsicheren Schützen im Treppenhaus. Abgesehen davon geben sich auf dem Schlossgelände die reizvollen Aus- und Anblicke unablässig die Hand.
Hohe Mauern, Wehrgänge, Gräben und Türmchen machen das Schloss zur Burg und natürlich darf eine Sammlung von Kriegsgerät nicht fehlen. Ein Stück weiter des Weges gibt es einen mit einer Mauer gesicherter Felsvorsprung. Von hier bietet sich der ultimative Postkartenblick auf das Schloss, wie es mit seinen Fundamenten den Felsen umklammert hält, jeden Millimeter Boden nutzt, der schroffen Tiefe trotzt und seinen weißen Turm stolz in den Himmel reckt. Ein schwebendes Märchenschloss, nur durch eine hölzerne Zugbrücke mit der wirklichen Welt verbunden. Um sich hier Prinzen auf weißen Pferden und Königstöchter in goldenen Kutschen vorzustellen, bedarf es keiner Mühe. Fast meint man, von den Torzinnen Fanfarenrufe zu hören.
Wieder ein paar Schritte weiter, auf dem nächsten Felsen am Abgrund, wird mit einem Denkmal der geehrt, ohne den es an dieser Stelle keinen Schlossturm geben würde: Wilhelm Hauff.
Was ich sagen will: Der Spaziergang entlang der Wege ist schön und abwechslungsreich. Überall gibt es interessante Details und dekorative Elemente zu entdecken, die alle danach rufen, betrachtet und fotografiert zu werden. Das ist nicht überraschend, ist doch alles hier arrangierte Kulisse. Nichts ist Mittelalter, alles ist idealisierte Nachahmung. Aber auch das muss man in dieser Perfektion erst einmal hinbekommen.
Einem der Ritter vom Lichtenstein kann man auf dem Weg vom Parkplatz zum Burgtor betrachten. Dort steht er, lebensgroß, mit ernstem Blick, aus Holz geschnitzt, in voller Rüstung, Schwert und Schild kampfbereit in den Händen. Ich habe ihm versprochen, dass ich mich sehen lasse, wenn ich wieder einmal in der Nähe bin.
(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen