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Schwäbische Alb: Hinauf zur Pfullinger Unterhose

Der Ort Pfullingen und der benachbarte Schönberg liegen am Ausgang des Echaztals unweit von Reutlingen. Der Schönbergturm ist ein Ausflugsziel mit tollem Blick ins Albvorland aus über 800 Höhenmetern und nur zu Fuß zu erreichen.


März 2022 | Wir hatten den Schönbergturm gar nicht auf dem Plan und waren eigentlich Richtung Schloss Lichtenstein unterwegs. Doch auf dem Weg von Reutlingen ins Echaztal ist der Turm ein unübersehbarer Blickfang, der sofort neugierig macht. Der Turm sieht aus, als hätte jemand den Wehrgang einer alten Stadtmauer auf den Berg gestellt. So ein markantes Bauwerk ruft nach einer kurzen Stippvisite. Mit dem Auto, so denken wir, sollte das eine schnelle Angelegenheit sein. Ab Pfullingen halten wir intensiv Ausschau nach einem Hinweis oder einer Zufahrt. Fehlanzeige. Wir kommen immer weiter ins Tal, drehen schließlich um und lassen uns von der Bordtechnik helfen. 

Das Navi führt uns zurück zum Abzweig auf eine Straße, die ich bestenfalls als Wirtschaftsweg klassifiziert hätte. Sie ist schmal, aber asphaltiert, und führt direkt in den Wald hinein. Dort geht es den steilen Hang des Schönbergs hinauf. Die Steigungen und die Tiefe des Abgrunds sind spektakulär. Wenn uns jetzt ein Fahrzeug entgegenkommt, denke ich, haben wir ein echtes Problem. Doch dazu kommt es nicht, denn, das wird mir jedoch erst bei der Rückfahrt bewusst, wir befinden uns auf einer Einbahnstraße. Für den Weg hinab ins Tal gibt es gottlob einen anderen Weg. An dieser Stelle ein Hoch auf die Leute, die solche Straßen in die Berge bauen. All dieser gigantische Aufwand, um Besucher wie uns schließlich auf einem abgelegenen Wanderparkplatz ankommen zu lassen.

Der Parkplatz nennt sich „Wanne“. Er ist das Ende der Straße und der Ausgangspunkt mehrerer Wanderwege. Er liegt ein gutes Stück unterhalb des Gipfels, der Schönbergturm hinter dem Wald ist nicht zu sehen. Von hier aus geht es nur zu Fuß weiter. Ein Schild weist die Richtung und verspricht uns, nach 500 Metern am Ziel zu sein. Diese jedoch haben es in sich. Es geht wacker bergan, der Steig ist schmal, das feuchte Laub glitschig. Der Trip wird zu einer richtigen kleinen Bergwanderung. Während wir stapfen und kraxeln, erscheint auch der Turm zwischen den Zweigen und keuchend kommen wir oben an.

Wir sind auf dem Gipfel des Schönbergs, auf 790 Meter. Neben dem Aussichtsturm ist ein weitläufiger Picknickplatz, der von hohen Bäumen gesäumt wird. Viel Landschaft sieht man von hier aus noch nicht. Wer den Blick in die Weite genießen möchte, muss noch einmal 26 Meter in die Höhe. Dafür stehen 110 Treppenstufen bereit, die wir nach kurzer Verschnaufpause absolvieren.

Einer der Doppeltürme dient als Aufstieg, auf der anderen Seite geht es dann wieder hinab. Durch diese Aufteilung ist Gedränge kein Thema und selbst in Zeiten des Corona-Lockdowns war es nicht nötig, den Zugang zum Turm zu verwehren. Oben sind die beiden schlanken Treppenhäuser durch die Aussichtsplattform miteinander verbunden. Die originelle Bauweise und der weiße Anstrich haben dem Turm bei den Einheimischen den Spitznamen „Pfullinger Unterhose“ eingebracht. Die Ähnlichkeiten sind nicht zu leugnen. Natürlich lässt sich auch ein Tor oder ein Triumphbogen erkennen, woran die Erbauer bei der Formgebung vermutlich eher gedacht haben. Ein Aussichtsturm als Tor zur Schwäbischen Alb, direkt an den Albtrauf gebaut. Damals, als 1905 mit dem Bau auf dem Schönberg begonnen wurde, war er der weltweit erste Turm in Stahlbetonbauweise, also eine innovative Angelegenheit. Eine Tafel am Turm kündet stolz davon und nennt den Architekten: Theodor Fischer.   

Oben auf der Plattform – man kann sie auch Galerie, Kanzel oder Ausguck nennen – weht uns ordentlich der Wind um die Nase. Die Mühen des Aufstiegs werden mit einem grandiosen Ausblick belohnt. Pfullingen und Reutlingen liegen uns zu Füßen, dahinter breitet sich das Albvorland aus. Links und rechts daneben sind die Bergkuppen des Albtraufs aufgereiht. Orientierungstafeln über den Fenstern helfen dabei, die Berge und fernen Orte mit Namen zu versehen. Auf der anderen Seite das Hochland. Täler, Wälder, Hänge – und selbst Schloss Lichtenstein winkt herüber.

Am Tag unseres Besuches hat der Himmel eine seltsame Farbe. Die Fotos zeigen es. Das zarte Ocker in der Luft und auf allen Flächen stammt vom Saharastaub, der an diesen Märztagen in aller Munde ist – und das nicht nur im übertragenen Sinne. Wer dabei war, wird sich erinnern. Die Regenschauer spülten den Wüstensand in jeden Winkel, er sammelte sich auf den Gartenmöbeln, klebte am Autolack und tauchte die ganze Welt in ein trübes Licht. Ich erinnere mich gut daran, wie der Staub sich unter den Scheibenwischern in eine schmierige Paste verwandelt hat.

Doch zurück zum Schönbergturm. Als wir uns sattgesehen haben, geht es wieder hinab. Wir sind die einzigen Besucher am Rastplatz. Wenn der Frühling erst einmal richtig in Fahrt gekommen ist, wird hier mehr los sein. Dann hat an den Wochenenden sogar ein Kiosk geöffnet, was den Wanderern in den Wäldern ringsum mit einer Fahne am Turm signalisiert wird.

Der Turm ist ein schönes Ausflugsziel und ich bin froh, dass wir uns von seiner markanten Form haben anlocken lassen. Neulich las ich eine Meldung, dass der Schönbergturm jüngst renoviert wurde und nun, mit seinem neuen Anstrich, wieder so strahlend weiß ist wie eine frisch gewaschene Unterhose in der Waschmittelwerbung.

(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen

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