Es ist kein neues Buch, aber ein gutes. Es steht seit Jahren bei mir im Regal und ich habe es zum zweiten Mal gelesen, als Trostpflaster. Ich bin in diesem Jahr bereits auf drei schlechte Romane hereingefallen. Allesamt Neuerscheinungen, leidlich angepriesen und schlimm zu lesen. Ich habe jeweils bis zum Ende durchgehalten, doch ich werde mich hüten, diese Bücher hier zu benennen. Das wäre der Ehre zu viel. Reden wir lieber über diesen Roman aus Finnland.
„Aus dem Leben eines unglücklichen Mannes“ bereitet vergnügliche Lesestunden. Sehr lustig, wie auf dem Buchdeckel angepriesen, fand ich das Buch nicht, doch Szenen zum Amüsieren bieten sich schon. Darum geht es: Der Traum vom Familienglück als Mutter-Vater-Kind zerspringt, als Matti (Vater) seine Helena (Mutter) schlägt und diese mit der kleinen Sini (Kind) zu einer Freundin flüchtet. Für Matti ist der Gewaltausbruch ein bedauerliches Missgeschick, ansonsten hält er sich für einen musterhaften Partner, der eine Chance verdient hat. Helena will sofort die Scheidung, denn neben dem einmaligen Schmerz durch den Fausthieb, haben die Jahre mit Matti in ihrem Inneren viel Unwillen und Groll wachsen lassen. Er will sie zurück. Sie wünscht ihn zum Teufel.
Der unglückliche Matti hat einen Hang zum Analysieren und konstruiert sich waghalsige Denkmodelle. Er hält seine Beziehung nicht für gescheitert, äußere Umstände seien es, die ihn in diesen Konflikt getrieben haben. Ein kleiner Ausrutscher kann keine Trennung auslösen, da müsse mehr dahinterstecken, zumal er ansonsten ein rühriger, liebevoller und sich aufopfernder Mann sei. Er kommt zu dem Schluss, dass es seiner Helena an der Geborgenheit und Idylle eines eigenen Heims gemangelt hat. Damit liegt für Matti die Lösung auf der Hand: Ein Häuschen mit Garten muss her.
Diese Erkenntnis setzt die Handlung des Buches in Gang. Matti schwärmt aus, erkundet die Eigenheimsiedlungen und observiert die Immobilienmakler der Umgebung. Um das notwendige Geld aufzutreiben, verkauft er die Eigentumswohnung und verdingt sich neben seinem Job als Lagerarbeiter als Masseur. Das alles gibt Stoff für nette Episoden, bei denen sich Matti verrennt und verwandelt. Näher will ich an der Stelle nicht in die Handlung blicken lassen. So viel ist sicher bereits jetzt klar: Da braut sich etwas zusammen.
Der Autor Kari Hotakainen spielt mit den Sympathien der Leser für seinen Helden. Dieser Kniff bringt die Dynamik in die Geschichte. Man pendelt mit seinen Zu- und Abneigungen dauernd hin und her, wie auf einer Schiffschaukel. Erst ist Matti der Schläger, der nicht begreift, was er falsch gemacht hat. Eine Weile hält man ihn für ignorant, dann für einfältig, und schon kommen Zweifel auf. Hat vielleicht auch die Perspektive von Helena subjektive Unschärfen? Ist sie ungerecht? Ist der Antiheld auch ein klein wenig Opfer? Doch kaum bildet sich so etwas wie Zuneigung heraus, macht Matti wieder Dinge, die gemein und hinterhältig sind. Kaum hat er sich als Fiesling etabliert, tut er mir auch schon wieder leid. So geht es beständig auf und ab. Schmunzeln und Kopfschütteln liegen nah beieinander. Matti driftet ab, sein Handeln wird immer absurder. Das kann nicht gutgehen.
Mir hat das Lesen viel Freude bereitet. Die Geschichte ist prima ausgedacht und unterhaltsam erzählt. Es war schön, mal wieder so ein Buch vor sich zu haben.
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(c) Lutz Schafstädt – 2022
Meine Lesezeichen – Gedanken über Bücher