Ich lese gern Bücher – und ich habe gern Bücher. Damit will ich sagen, ich benutze sie, umgebe mich gern mit ihnen und weiß immer, wo meine Lieblingsbücher stehen. Ich halte mich für einen Bücherfreund. So weit, so unspektakulär.
In meiner Schulzeit war ich eifriger Nutzer der benachbarten Leihbibliothek. Sie war immer Dienstags für drei Stunden geöffnet, das war mein Buchwechseltag. Zwei, drei Bücher nahm ich jede Woche mit – in der Kinderzeit waren sie nicht sehr dick und später gab es immer wieder welche, die ich blöd fand und nach ein paar Seiten wieder zuklappte. Gefiel mir ein Buch besonders, wünschte ich es mir. Ich wollte es haben, es zu meinem Buch machen, es in mein Regalfach stellen. Zum Geburtstag oder zu Weihnachten freute ich mich dann wie auf das Wiedersehen mit einem guten Freund. In der DDR-Zeit konnte es zuweilen knifflig sein, ein bestimmtes Buch zu bekommen. Manchmal, ich gestehe, gab ich ein Buch nach der Ausleihzeit auch einfach nicht wieder zurück, meldete es als verloren und nahm die Strafgebühr gerne auf mich. Nicht oft, natürlich, da fehlte es mir an krimineller Energie, und wer die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, konnte schnell vor die Tür gesetzt werden.
Später, mit selbst verdientem Geld in der Tasche, kaufte ich, was mich interessierte, wovon ich gehört hatte, was mir empfohlen wurde, was mir in die Hände fiel – und das sogar auf Vorrat. Wenn es etwas gab, musste man die Gelegenheit beim Schopfe packen. Kam eine gute Neuerscheinung ins Tagesgespräch, war sie meistens bereits vergriffen. So mehrten sich meine Buchbesitztümer zu einer ansehnlichen Sammlung.
Selbstredend war und ist nicht jeder Neuzugang ein Glücksgriff. Immer mal wieder wurden und werden Erwartungen nicht erfüllt, quält man sich durch einen Roman oder kommt einfach nicht über die ersten hundert Seiten hinaus. Als es in den Regalen langsam eng wurde, waren diese Bücher die ersten, die ihren Platz räumen und in den Keller umziehen mussten. Dort harren sie trocken und sicher aus und immer mal wieder fällt mir eines in die Hände und bekommt nach Jahren eine erneute Chance, denn manchmal liegt es nicht an den Büchern, sondern es ist der Leser, der erst reifen muss. Will sagen: Es muss schon einiges passieren, bis ich mich von einem Buch trenne, von Wegwerfen gar nicht zu reden. Und sollte sich eines Tages doch noch die Möglichkeit für eine extra opulente Bücherwand ergeben, dürfen alle wieder in meine Nähe, auch die ganz vergilbten und zerlesenen Exemplare.
Einen Gedanken möchte ich euch noch erzählen: Ich war kürzlich wieder einmal in der Bücherstadt in Wünsdorf (bei Zossen). Dort ballen sich auf dem ehemaligen Militärgelände die Antiquariate auf engstem Raum. Mehrere Häuser mit langen Fluren, die Regale in schmalen Reihen und dicht gefüllt, überquellende Kisten auf dem Boden davor, auf den Tischen hohe Bücherstapel, die sich gegenseitig stützen. Jede Ecke, jeder Kellerraum wie mit Büchern geflutet. Zu Tausenden liegen sie da. Lesestoff in Hülle und Fülle und beim Stöbern fliegen die Stunden nur so dahin. Doch auch ein Gefühl der Wehmut stellt sich ein: Es sind alles alte Bücher, oft aus Nachlässen, plötzlich heimatlos geworden, übrig und überflüssig, unerwartet verwaist, aus Büchersammlungen gerissen, die einst so viel über den erzählen konnten, der sie zusammengetragen hat. Manchmal finden sich beim Blättern persönliche Widmungen. Immer wieder begegnen mir altvertraute Ausgaben. Einige Prachtbände verraten auf den ersten Blick, noch niemals aufgeblättert worden zu sein. So viele Bücher, denke ich mir, und alle wollen gelesen werden. So viele einst berühmte Namen und einzigartige Werke, die heute bestenfalls noch vom Hörensagen bekannt sind oder als Antwort auf eine Quizfrage ihr Dasein fristen. Um diese Insel der alten Meister und Klassiker herum brandet gleichzeitig die Moderne, der aktuelle Literaturbetrieb, die Neuerscheinungen, die Bestsellerlisten, und die Autoren lassen den Nachschub aus ihrer Feder hervorquellen wie im Märchen das Töpfchen den süßen Brei. Wer soll all das lesen? Angesichts der vielen Bücher, von denen es heißt, dass man sie gelesen haben sollte, kann man schon resignieren. Doch das stimmt nur zum Teil.
Es ist nämlich auch so: Wenn ich mir vor Augen führe, wie viele Bücher ich schon gelesen habe, bin ich selbst erstaunt. Neben denen im Regal und im Keller gibt es noch eine Unzahl, die ich gelesen und doch nie in Besitz genommen habe. Oft bin ich überrascht, wie viele Bücher ich schon kenne und weil man übers Jahr so einige Bände schafft, bin ich zuversichtlich, mir noch viele Lesewünsche erfüllen zu können. Darüber hinaus nehme ich mir sogar die Freiheit, manche Bücher mehrfach zu lesen. Genießen wir es einfach, so viel Auswahl zu haben und riskieren wir es ruhig hin und wieder, uns von einem spontanen Griff ins Regal überraschen zu lassen. Lesen ist immer ein Gewinn.
In diesem Sinne empfehle ich euch meine „Lesezeichen“ auf diesen Seiten. Es sind Anmerkungen zu Büchern – Rezension ist nicht immer das richtige Wort. Ich habe kein System, ich widerstehe dem Ehrgeiz, zu jedem Buch, das ich kenne, einen schlauen Spruch abzusondern. Ich werde euch erzählen, was ich gelesen und was ich dabei gedacht habe. Ich werde euch auf schöne Passagen und Zitate aufmerksam machen und nicht unerwähnt lassen, wenn mir etwas nicht gefallen hat. Es wird um alte Schinken gehen und aktuelle Veröffentlichungen. Nach einer Weile wird für euch klar erkennbar sein, was für ein Lese-Typ ich bin und ob es euch etwas bringt, meinen Beiträgen zu folgen.
Vielleicht kennt ihr das vorgestellte Buch und teilt meine Gedanken, oder ihr habt eine andere Leseerfahrung gemacht und es gibt Widerspruch, oder ein Buch ist neu für euch und ihr seid neugierig geworden, wie eure persönliche Wertung ausfallen wird. Wie auch immer. Schön wäre, wenn ihr mir erzählt, zu welchem Schluss ihr gekommen seid. Ich verspreche, jeden Kommentar zumindest mit einem Dankeschön zu quittieren. Vielleicht kommen wir sogar ins Plaudern …
Ich wünsche uns gemeinsam viele schöne Lesestunden.
(c) Lutz Schafstädt – 2024
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