Das Schreiben von Briefen, selbst von Urlaubskarten und Geburtstagsgrüßen, ist ziemlich aus der Mode geraten. Heute schreiben wir Bildunterschriften auf dem Handy, Messages mit automatischer Ausfüllfunktion und selbst für einen Entschuldigungszettel nehmen immer mehr Leute ChatGPT in Anspruch. Und lesen? Strengt an, vorlesen lassen ist besser. Auch dafür gibt es Apps. Zumindest wissen aber alle noch, was das ist, ein persönlicher, handgeschriebener Brief. Er hat etwas Romantisches.
„Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde.“
Jean Paul (1763-1825)
Der Dichter Jean Paul sagte dies zu einer Zeit, als das Schreiben langer Briefe zum Alltag gehörte und die einzige Kommunikationsform war, um sich über Entfernungen hinweg mit anderem Menschen auszutauschen. Jean Paul war ein Zeitgenosse Goethes, sein Name war fast ebenso bekannt, seine Romane waren beliebt. Und übrigens: Er war kein Franzose, wie ich lange glaubte, sondern Franke, geboren in Wunsiedel im Fichtelgebirge, wurde als Johann Paul Friedrich Richter getauft und legte sich in Verehrung des Aufklärers Jean-Jacques Rousseau dieses Pseudonym zu. Ich gestehe, noch nie etwas von ihm gelesen zu haben und ich habe auch keine Vorstellung davon, was er so geschrieben hat. Einzig sein Zitat, das Bücher nur dickere Briefe seien, ist mir, und euch bestimmt auch, schon sehr oft begegnet. Man kann den Spruch mit Fug und Recht als geflügeltes Wort bezeichnen.
Der Gedanke, ein Buch als Botschaft von einem Freund zu empfinden, ist für Leser schmeichelhaft. Und in der Tat ist es ja so, dass der Autor beim Schreiben einen imaginären Leser vor sich hat, an den er sein Wort richtet. Warum auch sollte er sonst schreiben? Er nimmt sich Stunde um Stunde Zeit, um eine Geschichte zu erzählen, und stellt sich den Empfänger vor, wie er gebannt seinem Erzählfluss folgt. In dieser Perspektive wird der Buchladen zum Postamt, in dem man sich nach Neuigkeiten von seinem Lieblingsautor erkundigt. Und ein Bücherblog wird zum Briefzusteller, damit niemand eine Neuerscheinung verpasst. So gesehen ist auch jeder Autoren-Newsletter eine Postsendung, die uns Vorschläge für interessante schriftliche Offerten in den Briefkasten steckt. Natürlich lässt sich jede Sendung als ungebetene Werbung direkt in den Papierkorb entsorgen. Doch ist die Vorstellung nicht reizvoll, es könnten Zeilen auf mich warten, die sich so persönlich anfühlen, als wären sie nur für mich geschrieben worden?
(c) Lutz Schafstädt – 2025
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