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„Der Vorleser“ von Bernhard Schlink

Zum ersten Mal bin ich dem Roman vor einigen Jahren bei der Aktion „Eine Stadt liest ein Buch“ in Potsdam begegnet. Das war 2002, die Erstlektüre ist also schon eine Weile her. Als ich später die Verfilmung gesehen und an meinem Erinnerungsvermögen gezweifelt hatte, nahm ich den Vorleser noch einmal zur Hand und empfehle allen, die nur den Film kennen, ganz nachdrücklich das Buch.

„Der Vorleser“ ist die Geschichte von Michael und Hanna. Ende der 50er Jahre ist er ein Gymnasiast, sie eine Straßenbahnfahrerin. Aus ihrer zufälligen Begegnung wird eine ungewöhnliche Beziehung. Hanna ist mehr als doppelt so alt wie Michael. Ihre Liebe bleibt geheim und es beginnt ein zunächst seltsam anmutendes Ritual: Vorlesen wird auf Drängen Hannas zum festen Bestandteil ihrer intimen Begegnungen. Eines Tages jedoch ist sie plötzlich spurlos aus der Stadt verschwunden, er bleibt ratlos und verletzt zurück.

Erst als Jurastudent sieht Michael nach mehreren Jahren Hanna wieder. In einem Auschwitz-Prozess steht sie unter Anklage. Ihr Verhalten vor Gericht gibt ihm Rätsel auf. Sie nimmt ihre Verurteilung zu lebenslanger Haft in Kauf, um ihr Geheimnis zu hüten.

Michael indes kommt von der Erinnerung an Hanna nicht los. Er bleibt ihr Vorleser und schickt ihr besprochene Kassetten ins Gefängnis … 

Mehr will ich von der Handlung nicht erzählen. Ich denke, die erwähnte Grundkonstellation verrät nicht bereits zu viel, denn die Geschichte ist mit der Verurteilung noch nicht zu Ende.

Komprimiert gesagt: Der Roman thematisiert Vergangenheitsbewältigung und Generationskonflikte im Nachkriegsdeutschland am Beispiel einer ungewöhnlichen Liebe jenseits der gesellschaftlichen Norm. Die zeittypischen Vorwürfe der Jugend an die Vätergeneration überlagern sich mit neuen Fragestellungen, als Michaels Liebe selbst der Bewältigung bedarf. Die Vergangenheit hat ihn vereinnahmt, in die Ereignisse verstrickt und hält ihn gefangen.

Es ist ein Buch, das sich nur schwer wieder aus der Hand legen lässt. Ich habe auch im zweiten Durchgang nahezu in einem Zug gelesen. Hannas Geheimnis wird schnell klar, doch zu welchen Konsequenzen es in ihrem Leben führt, fesselt anhaltend. Ein Lesegenuss, der gegen Pauschalierungen sensibilisiert.

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(c) Lutz Schafstädt – 2021
Meine Lesezeichen – Gedanken über Bücher

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