Sacrow gehört zum Ensemble der Potsdamer Schlösser und Gärten rings um den Jungfernsee. Der Sacrower-Park wurde von Peter Joseph Lenné gestaltet, mitten hindurch und direkt an der Heilandskirche verlief einst die Berliner Mauer.
April 2021 | Heute sind wir wieder einmal im Sacrower Park. Wir nutzen das Frühlingswetter für einen Spaziergang und starten ihn am Schloss. Schloss ist eigentlich ein etwas großer Begriff. Nennen wir es Herrenhaus, vielleicht Gutsschloss. Das trifft es von den Dimensionen her besser. Ich will dem Haus damit nicht Unrecht tun. Es ist ordentlich saniert, die helle Fassade leuchtet von Weitem durch die Baumreihen. Doch im, am und um das Schloss wird mit dekorativen Elementen äußerst sparsam umgegangen. Die Gründe dafür erhellen sich bei einem Blick auf die bewegte Geschichte: Das Dorf Sacrow geht auf ein Rittergut im 14. Jahrhundert zurück. Von dem zugehörigen Gutshaus gibt es heute keine Spuren mehr. Die gegenwärtigen Gebäudekonturen entstanden am Ende des 18. Jahrhunderts. 1840 erwarb König Friedrich Wilhelm der IV. von Preußen das gesamte Gelände und ließ es in die Potsdamer Residenzlandschaft integrieren. Schloss und Park erlebten daraufhin ihre Blütezeit und die Heilandskirche wurde an das Flussufer gebaut.
Machen wir einen Sprung hundert Jahre weiter: Im Dritten Reich wurde das Herrenhaus zum Wohnsitz eines hohen Forstbeamten und dafür gründlich umgebaut. Dabei gingen viele barocke Elemente und architektonische Details verloren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Schloss kurze Zeit Kinderheim, dann Erholungsheim und schließlich übernahm der Zoll der DDR das Gelände und machte den Park zum Ausbildungsgelände für Spürhunde. Mit dem Bau der Berliner Mauer wurden der Park und der gesamte Uferstreifen an Havel und Jungfernsee zum Grenzgebiet. Vor dem Hintergrund all dieser Unbilden – und die Aufzählung ist noch nicht einmal vollzählig – erscheint die Situation rings um die mächtige Platane vor dem Schlosseingang in einem anderen Licht.
Leider steht das Schloss derzeit leer. Offenbar fehlt es an einem tragfähigen Nutzungskonzept, doch der Stand der Dinge muss auch gewürdigt werden. Nach Jahrzehnten der Sperrung und Vernachlässigung hat sich viel getan. Altlasten wurden entsorgt, das Schloss ist saniert, der Park ersteht neu, die Heilandskirche ist gerettet.
Der Höhepunkt jedes Rundgangs durch den Sacrower Park ist die Heilandskirche. Sie gibt sich sehr italienisch und steht unmittelbar am Fluss. Sie mutet an wie ein steinernes Schiff, das an der idyllischsten Uferstelle festgemacht hat. Die Mauern der äußeren Flanke sind der von Wasser umspülte Rumpf, das Deck wird von einem umlaufenden Säulengang gebildet. Einen Mast auf dem Schiff gibt es nicht, dafür ein Campanile – einen freistehenden Glockenturm am Vorplatz zum Haupteingang der Kirche.
Die Heilandskirche ist aus jeder Entfernung und Perspektive ein Ereignis. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gab ihren Bau unmittelbar nach dem Erwerb von Sacrow in Auftrag. Es heißt, er habe seinem Baumeister Ludwig Persius sogar persönlich erstellte Skizzen übergeben, wie er sich den Kirchenbau vorstellte.
Während der Zeit der Berliner Teilung stand die Kirche mitten im Todesstreifen und war dem Verfall preisgegeben. Der Kirchenraum stand offen, war Nässe, Kälte und allen Widrigkeiten der Jahreszeiten ausgesetzt, und drohte zur Ruine zu werden. Nur der Glockenturm wurde genutzt, als Wachturm für die Grenzposten. Der Fall der Mauer kam für die Heilandskirche sprichwörtlich in letzter Minute. Es folgte die sofortige Sicherung der vorhandenen Bausubstanz und man begann mit der aufwendigen Restaurierung. Zum Glück konnten das Bauwerk, die Ausstattung und auch das Umfeld weitestgehend wieder hergestellt werden. Heute gehört die Heilandskirche zu den beliebtesten Ausflugszielen in Potsdam und ist eine Attraktion am Jungfernsee.
Übrigens ist der Sacrower Park auch ganz ohne alles Hintergrundwissen ein Genuss. Mit einer Picknickdecke auf dem Gras am Havelufer, unter wärmenden Sonnenstrahlen, mit dem Blick über das glitzernde Wasser zur Stadt hinüber, bei Vogelgezwitscher und Wiesenduft, ist es einfach nur schön hier. Stundenlang, wenn man mag.
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(c) Lutz Schafstädt – 2023
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