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Grunewald: Auf dem Teufelsberg

Wir sind am Rande des Grunewalder Forsts beim Teufelsberg (Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf), zu erreichen über die Teufelsseechaussee, von der Heerstraße kommend.
#forstgrunewald


Februar 2019 | Die Bauten auf dem Teufelsberg sind weithin sichtbar. Weiße, wie Champignonköpfe anmutende Kuppeln recken sich auf seinem Gipfel aus dem Wald, leuchten in der Sonne, wirken geheimnisvoll. Ich wollte schon immer einmal dorthin. Ich wusste, die Anlage war im Kalten Krieg eine amerikanische Abhörstation und kürzlich hatte ich gelesen, sie sei nach einigen gescheiterten Versuchen der Nachnutzung endlich unter Denkmalschutz gestellt worden. Was ich nicht wusste, war, ob man das Gelände betreten konnte. Am ersten frühlingsmilden Februartag schauten wir uns die Sache aus der Nähe an.

Wir waren zu spät oder zu früh, wie man es nimmt. Es gab eine Zeit, da durften Besucher einen der Türme als Aussichtsplattform nutzen. Es soll eine Zeit kommen, in der sich das Denkmal in eine museale Attraktion verwandelt. Jetzt, in der Zeit dazwischen, sieht man viele Spuren von Verfall. Große Teile der Anlage sind aus Sicherheitsgründen gesperrt und der spektakuläre Blick über Berlin ist nur als Foto zu haben. Es empfiehlt sich, Interesse mitzubringen – für die Geschichte des Ortes oder zumindest für Graffitis.

Der Teufelsberg liegt am Rand des Grunewalds, unweit vom Teufelssee, der ihm von seinem Namen abgegeben hat. Er ist keine natürliche Erhebung, sondern wurde nach dem Krieg aus Trümmern aufgeschüttet, die aus dem zerbombten Charlottenburg und Wilmersdorf hierher gekarrt wurden, bis der zweitgrößte Berg Berlins entstanden war. Mit viel Aufwand verwandelte sich der Schutthaufen in einen Wald zur Naherholung. Es gab Wintersport und bis heute sind seine Hänge eine der ersten Adressen für Berliner Mountainbiker.

Die US-Armee reservierte sich den Gipfel als Standort für eine Abhöranlage. Sie installierte Technik zur Überwachung des Luftraums und belauschte von hier aus bis zum Ende des Kalten Krieges den Funkverkehr im Ostblock und vor allem den der sowjetischen Streitkräfte rings um Berlin. Nach der Wende und dem Abzug der Amerikaner diente die Radaranlage noch einige Jahre der Flugsicherung, um nach der Jahrtausendwende in einen Dornröschenschlaf zu fallen. Es gab einige Versuche, das Gelände wieder wach zu küssen, doch keiner hatte Erfolg. Inzwischen setzte der Zahn der Zeit und Vandalismus den Bauten gewaltig zu.

Trotz dieser widrigen Umstände entwickelte sich der Teufelsberg zu einem Ausflugsziel. Das desolate Ambiente hat tatsächlich Anziehungskraft. Es gibt eine informative Ausstellung zur Geschichte des Ortes und regelmäßige Führungen. Leider war bei unserem Besuch die Plattform zwischen den Radarkuppeln für Besucher gesperrt. Angesichts der maroden Bauten eine verständliche Sicherheitsmaßnahme. Einen wirklichen Aussichtspunkt für einen Blick über die Stadt gab es deshalb nicht, doch konnten wir das weitläufige Gelände bei einem Rundgang erkunden. Der Eintrittspreis war somit gerechtfertigt und wird hoffentlich einen kleinen Beitrag für die dringend nötigen Erhaltungsmaßnahmen leisten.

Viele junge Künstler sorgen dafür, dass die ehemalige Radarstation nicht nur wie eine Ruine aussieht. Jede erreichbare Fläche ist mit Graffitis dekoriert und allerorten finden sich Kunstobjekte. Es heißt, der Teufelsberg sei die größte und höchstgelegene Street Art Galerie Europas. Abseits dieser Superlative ist er in jedem Fall ein Stück unverwechselbares Berlin mit dem ganzen Bauchladen der typischen Attribute: experimentierfreudig, geschichtsbeladen, kreativ, verschlissen, unkonventionell … 

Unser Besuch auf dem Teufelsberg war anders als erwartet. Die ehemalige Abhörstation gibt es nur noch als Fragment, die Hinterlassenschaften werden von frischen Farben überwuchert, von neuen Sichtweisen in Besitz genommen. Und doch haben wir interessante Stunden hier verbracht. Wie gesagt, es fühlte sich an, als wären wir dem Ort in einer Zwischenzeit begegnet, zwischen nicht mehr und noch nicht. Wir werden noch einmal wiederkommen, wenn sich das Denkmal gefunden hat.

(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen

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