Wir sind im Grunewald im Stadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, auf dem Uferweg an der Havel zwischen Grunewaldturm und Schildhorn.
#forstgrunewald
Juli 2021 | Im Grunewald ist man noch in Berlin und trotzdem schon mitten in der Natur. Wald und Hügel blenden die Großstadt aus. Wo der Blick in die Ferne darf, springt er zu den Segelbooten auf der Havel, auf ein paar Gatower Dächer und verliert sich im Blau und Grün der Flusslandschaft.
Die abwechslungsreiche Gestalt der Gegend ist es, die ihren Reiz ausmacht. Der Grunewald bildet den Rand der Teltow-Hochfläche, ist gewissermaßen die Abbruchkante zur Havelniederung. Der Boden hier wurde in der Eiszeit durch Gletscher zusammengeschoben und von Havel und Schmelzwasser teilweise wieder weggeschwemmt. So entstanden schluchtenartige Ablaufrinnen, Böschungen, Gefälle, Berge – und der Wanderer hat die Wahl, ob er unten am Havelufer oder oben auf dem Teltow-Plateau die Aussicht genießen möchte.
Einer der Berge im Grunewald ist der Karlsberg. Er ist 78 Meter hoch und trägt den Grunewaldturm. Der Aussichtsturm aus rotem Backstein wurde 1899 eröffnet und ist Kaiser Wilhelm I. gewidmet. Am Sockel führt eine Freitreppe zu einer Gedenkhalle mit Kaiser-Statue und vielen dekorativen Elementen drum herum. Die Aussichtsplattform ist 36 Meter weiter oben.
Der Grunewaldturm ist der Startpunkt unseres Spaziergangs. Die Plattform ist leider nicht geöffnet und auch das Gitter vor der Freitreppe ist verschlossen. Vermutlich ist Corona der Grund. Für den ultimativen Fernblick müssen wir auf nachpandemische Zeiten warten. Dafür hat jedoch der Kaisergarten geöffnet. Hier gibt es Selbstbedienungsgastronomie und reichlich Sitzplätze an der frischen Luft mit freiem Blick über die Havel. Das Einkehren heben wir uns jedoch für das Ende unseres Rundgangs auf.
Zunächst geht es durch den Wald den Hang hinab zum Uferweg. Es ist herrliches Sommerwetter und die Baumwipfel am Wegesrand sind willkommene Schattenspender. Zwischen Büschen und Schilf eröffnet sich immer wieder ein Fenster zum Fluss, wo, von Laub und Zweigen wirkungsvoll eingerahmt, auf dem blauen Wasser weiße Segel blinken. Entlang der Strecke gibt es mehrere moderat besuchte Badestellen und am Beginn der Landzunge Schildhorn einen großen Kinderspielplatz.
Wir gehen am Ufer einmal um die kleine Halbinsel Schildhorn herum und dann über eine Steintreppe den Höhenzug in seiner Mitte hinauf. Dort steht das Schildhorn-Denkmal. Als es errichtet wurde, soll es auf dem Hügel nach allen Seiten weithin sichtbar und ein beliebtes Ausflugsziel gewesen sein. Heute stehen der Säule große Bäume zur Seite und sie wirkt insgesamt etwas vergessen.
Die Gedenksäule wurde vom berühmten Architekten Friedrich August Stühler Mitte des 19. Jahrhunderts nach einer königlich-preußischen Bleistiftskizze (von Friedrich Wilhelm IV.) entworfen. Das Denkmal steht für die Gründungslegende der Mark Brandenburg. Ob sie sich hier oder überhaupt ereignet hat, ist fraglich, doch sie ist erzählenswert: Im Jahre 1157 war der Wendenfürst Jaczo (zuweilen auch Jaxa geschrieben) vor Albrecht dem Bären (Markgraf von Brandenburg) auf der Flucht und fand sich in Gatow an die Havel gedrängt. Es blieb kein Ausweg, als den Fluss samt Pferd zu durchschwimmen. Unterwegs drohte Jaczo zu ertrinken und er flehte seinen Slawengott Triglaw vergeblich um Rettung an. In der höchsten Not erbat er sich Hilfe vom Gott seiner Feinde und siehe da, der Christengott verhalf ihm ans rettende Ufer. Aus Dankbarkeit hängte er seinen Schild und sein Horn an den Ast einer Eiche und schwor den alten Göttern ab. Die Mark Brandenburg war geboren. Das Denkmal symbolisiert Baumstamm und Schild, doch der Name Schildhorn, den die Landzunge schon lange vor Legende und Denkmal trug, hat damit nichts zu tun. Aber alle Dinge muss man nicht bis ins Detail hinterfragen. Die Sage ist schön und sie passt hierher.
Während unseres Rückwegs wechseln wir einige Male vom Ufer- auf den Höhenweg und erfreuen uns am Havelpanorama. Wieder am Grunewaldturm, gönnen wir uns eine ausgiebige Pause im Kaisergarten – balancieren mit einem schief beladenen Tablett vom Schotterweg ins Sandbett, suchen uns ein gemütliches Plätzchen in der ersten Reihe und verputzen mit Blick auf den Schäferbergturm in Wannsee ein winziges (dafür aber hochpreisiges) Stückchen Kuchen.
Fazit dieses Sonntags: Ein schöner Spaziergang, zur Nachahmung empfohlen.
(c) Lutz Schafstädt – 2023
Unterwegs – Ausflüge und Reiseerinnerungen